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Psychische Erkrankungen: Ein wachsendes Problem für Unternehmen
Die Zahl der Krankschreibungen wegen psychischer Erkrankungen ist von 2012-2022 um 48% angestiegen und hat sich in 2023 im Vergleich zu 2022 um mehr als ein Fünftel noch einmal erhöht (DAK, 2023). Unternehmen stehen also vor einem großen Problem! Mitarbeitende fallen aus und die Wirtschaftlichkeit der Organisation wird in Zeiten eines hohen Fachkräftemangels zunehmend gefährdet. Umso wichtiger ist es, die Faktoren positiv zu beeinflussen, die man als Arbeitgeber beeinflussen kann. Dazu bedarf es einer genauen Analyse, welche Arbeitsbedingungen als Gefährdungsfaktoren für die psychische Gesundheit der Beschäftigten fungieren.
Ein Instrument, das der Gesetzgeber seit 2013 vorschreibt, ist die Psychische Gefährdungsbeurteilung (PGB). Sie hat das Ziel, Arbeitsplätze so zu gestalten, dass eine Gefährdung für die physische und psychische Gesundheit möglichst vermieden wird (§ 4 ArbSchG). Die PGB ist ein essenzieller Bestandteil des betrieblichen Gesundheitsschutzes und gemäß §5 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) verpflichtend. Arbeitgeber müssen psychische Belastungen am Arbeitsplatz identifizieren und geeignete Maßnahmen ergreifen, um diese zu reduzieren.
Was ist psychische Belastung?
Psychische Belastung umfasst alle erfassbaren äußeren Einflüsse, die auf eine Person einwirken und sie psychisch beeinflussen. Laut der DIN EN ISO 10075-1 ist neben der Belastung auch die negative Beanspruchung, die daraus entsteht, entscheidend. Verschiedene Erhebungsinstrumente können genutzt werden, um diese psychischen Belastungen zu erfassen. Man unterscheidet hierbei zwischen quantitativen, qualitativen und gemischten Verfahren. Im Rahmen der quantitativen Verfahren werden häufig Fragebögen eingesetzt, um die Belegschaft zu befragen. Solche Fragebögen dienen dazu, Arbeitsbelastungen zu identifizieren und zu bewerten.
Die richtige Methodik ist entscheidend
Einige der von gesetzlichen Unfallversicherungsträgern oder Berufsgenossenschaften bereitgestellten Erhebungsinstrumente verzichten auf die Erfassung psychischer Gesundheitsindikatoren und entsprechen daher nicht den Anforderungen der DIN EN ISO 10075-1, die für eine vollständige Bewertung der psychischen Gefährdungen notwendig ist.
Rechtliche Grundlagen
Die rechtliche Grundlage der Psychischen Gefährdungsbeurteilung findet sich im §5 Abs. 3 Nr. 6 ArbSchG im ArbZG sowie in der DGUV Vorschrift 1. Die ausdrückliche Forderung nach Berücksichtigung psychischer Belastung findet sich auch in der Arbeitsstättenverordnung (§ 3 ArbStättV), in der Betriebssicherheitsverordnung (§ 3 BetrSichV) und in der Biostoffverordnung (§ 4 BioStoffV).
Wer definiert denn die Inhalte und Umsetzungsformen einer PGB?
- DIN EN ISO 10075 Ergonomische Grundlagen bezüglich psychischer Arbeitsbelastung Teil 1 bis 3
- Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA) und deren Anforderungen an die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung
- BAuA-Handbuch zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Faktoren als praxisorientierte Anleitung für die Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) und die GDA setzen klare Anforderungen an die Messung und Minimierung psychischer Belastung, welche in technischen Regeln und anderen Rechtsdokumenten, wie der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) weiter konkretisiert werden.
Was gehört in eine PGB?
Bei der Beurteilung psychischer Gefährdungen am Arbeitsplatz sind laut GDA die folgenden Aspekte zu berücksichtigen:
- die Arbeitsinhalte und -aufgaben,
- die Organisation der Arbeit,
- die Gestaltung der Arbeitszeit,
- die sozialen Beziehungen bei der Arbeit,
- die Umgebungsbedingungen der Arbeit sowie die
- Gestaltung und Verwendung der Arbeitsmittel.
Anforderungen an Fragebögen
Fragebögen sind ein probates Mittel, um potenziellen Gefährdungen auf die Spur zu kommen. Durch die Antworten der Beschäftigten bekommt man schnell einen Überblick, in welchen Bereichen, welche Belastungen eine Rolle spielen. Im weiteren empfehlen sich dann Auswertungsworkshop, um die spezifischen Belastungen detailliert zu erfassen und idealerweise schon Verbesserungsmöglichkeiten zu diskutieren.
Fragebögen müssen alle relevanten psychischen Belastungsfaktoren berücksichtigen, die in einer bestimmten Arbeitsumgebung auftreten können. In der GDA-Broschüre wird das Belastungs-Beanspruchungskonzept als zentrales Modell zur Bewertung psychischer Belastungen und Beanspruchungen hervorgehoben. Es beschreibt, dass jeder Arbeitsplatz durch bestimmte äußere Bedingungen (Belastungen) gekennzeichnet ist, denen die Beschäftigten ausgesetzt sind. Die Reaktion auf diese Belastungen variiert jedoch je nach individuellen Eigenschaften und Bewältigungsstrategien (Beanspruchung). Dieses Konzept wird empfohlen, um die individuellen Unterschiede in der Reaktion auf Belastungen zu erfassen und angemessene Maßnahmen zur Minderung der psychischen Belastung abzuleiten. Das bedeutet, dass Fragen/Items so formuliert werden, dass sie sowohl die
- Belastung (z.B. Ich werde in meiner Arbeit häufig unterbrochen. 5-stufige Skala von trifft voll und ganz zu-trifft gar nicht zu) und zusätzlich die
- Beachspruchung (Wie sehr belastet sie das? 3-stufige Skala von belastet mich sehr/belastet mich etwas/belastet mich gar nicht) messen.
Was ist bei der Umsetzung der Psychischen Gefährundgsbeurteilung innerhalb der Organisation zu berücksichtigen?
Bei der Umsetzung der psychischen Gefährdungsbeurteilung innerhalb einer Organisation sollten mehrere zentrale Aspekte berücksichtigt werden. Die Broschüre zur Berücksichtigung psychischer Belastungen in der Gefährdungsbeurteilung der GDA (2022) empfiehlt die folgenden Schritte:
- Vorbereitung und Planung: Bevor mit der Gefährdungsbeurteilung begonnen wird, ist eine gründliche Planung erforderlich. Dies schließt die Festlegung von Methoden, Instrumenten und Vorgehensweisen ein. Dabei sollten relevante Arbeitsbereiche und Tätigkeiten definiert und die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden, um den Prozess erfolgreich umzusetzen. Besonders wichtig ist die Einbeziehung von Fachwissen, zum Beispiel durch interne oder externe Experten, wie Sicherheitsfachkräfte oder Betriebsärzte.
- Festlegung von Arbeitsbereichen und Tätigkeiten: Da psychische Belastungen je nach Tätigkeit und Arbeitsumfeld variieren, ist es entscheidend, Gefährdungsbeurteilungen auf spezifische Tätigkeitsfelder und Arbeitsbereiche zuzuschneiden. Beispielsweise können Führungstätigkeiten oder Berufe im Gesundheitssektor besondere Anforderungen an die psychische Belastbarkeit stellen.
- Ermittlung und Beurteilung von Gefährdungen: Der nächste Schritt besteht darin, potenzielle psychische Belastungen systematisch zu ermitteln und zu bewerten. Hierbei müssen verschiedene Faktoren einbezogen werden, darunter Arbeitsinhalte und -organisation, Arbeitszeiten, soziale Beziehungen, Arbeitsumgebung sowie der Umgang mit Arbeitsmitteln. Diese Aspekte beeinflussen die Art und Intensität der psychischen Belastungen und sind entsprechend in der Beurteilung zu berücksichtigen.
- Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen: Nach der Ermittlung der Gefährdungen müssen geeignete Maßnahmen entwickelt und umgesetzt werden, um die psychische Belastung zu minimieren. Vorrangig sollten hierbei verhältnispräventive Maßnahmen (z.B. Anpassungen in der Arbeitsorganisation) ergriffen werden, während verhaltenspräventive Maßnahmen (z.B. Schulungen) ergänzend eingesetzt werden sollten.
- Wirksamkeitskontrolle: Es ist erforderlich, regelmäßig zu überprüfen, ob die umgesetzten Maßnahmen ihre Ziele erreichen und die psychische Belastung tatsächlich reduziert wird. Gegebenenfalls müssen weitere Maßnahmen entwickelt und umgesetzt werden, um die Wirksamkeit zu gewährleisten.
- Dokumentation und Aktualisierung: Der gesamte Prozess der Gefährdungsbeurteilung, einschließlich der getroffenen Maßnahmen und ihrer Überprüfung, muss dokumentiert und regelmäßig aktualisiert werden, um sicherzustellen, dass die Beurteilung den aktuellen Arbeitsbedingungen entspricht und fortlaufend angepasst wird.
Diese Schritte gewährleisten eine ganzheitliche und systematische Herangehensweise an die Gefährdungsbeurteilung im Hinblick auf psychische Belastungen in der Arbeitswelt.
Die AHAB-Akademie biete weitere Schulungen zu dem Thema Psychische Gefährdungsbeurteilung an. Die ESUNA-GmbH ist spezialisiert auf die Umsetzung und Auswertung psychischer Gefährdungsbeurteilungen. Hier können Sie gerne einen unverbindlichen Beratungstermin zu den Unterstützungsmaßnahmen erhalten.